Drei Fragen an die Expertin Jeanette Mensing,

Ärztin und Expertin für Psychomedizin.
Beratung und Coaching aus Pirmasens.

Sind Männer anders neidisch als Frauen?

Per se hängt Neid von den gesellschaftlichen Werten und dem individuellen Rollenverständnis ab. Worauf wir neidisch sind, orientiert sich jedoch meist noch an der klassischen soziokulturellen Geschlechterrolle. Unterschiede finden wir hier einmal beim Neidobjekt und dann auch in der Neidform und -reaktion.

Frauen neiden anderen Frauen ihr gutes Aussehen und deren Accessoires. So wie es ihnen weiterhin sehr wichtig ist, sich selbst über Äußerlichkeiten zu definieren, neiden sie anderen diese typisch weiblichen „Statussymbole“, wie Schuhe und Handtaschen und alles, was sie dekoriert. Dahinter verbirgt sich immer noch das „Weibchenschema“ den potentiellen Beschützer und Versorger „an Land zu ziehen“. Männer orientieren sich am Status und ihrem „Besitz“.

Der geschlechterspezifische Neid hat evolutionäre Gründe. Frauen suchen eher nach existenzieller Sicherheit. Männer achten bei der Partnerwahl immer noch primär auf Attraktivität. Während Frauen eher zu depressiv-lähmenden Neidreaktionen tendieren, herrschen bei Männern eher die feindselig-aggressiven und/ oder ehrgeizig-konkurrierenden Neidformen vor.

Ab wann sind Neidgefühle krankhaft?

„Neid“ als eigenständige Erkrankung bzw. Diagnose ist im Manual der psychiatrischen Diagnosen nicht gelistet. Neid als Symptom psychiatrischer Erkrankungen tritt häufig auf, z.B. bei wahnhaftem Verhalten und Zwangsstörungen oder bei Persönlichkeitsstörungen, hier vor allem dem Narzissmus. Der krankhafte Neid „frisst die Seele auf“. Er ist omnipotent und beherrscht sowohl das Denken als auch das Fühlen des betroffenen Menschen.

Alles wird negativ, Gedanken kreisen nur noch um das Mangelgefühl, um Unterlegenheit und Minderwertigkeit. Dieser Zustand führt über Verleugnen und Verdrängen der „bösen Emotion“ zum einen in dessen Selbstverstärkung und zum anderen in autodestruktive Prozesse sowie in die Demontage des Selbstwertes. Bei aggressiv-feindseligen Neidformen richten sich die zerstörerischen Impulse nach außen und zeigen eine fremdschädigende Dynamik, wie Abwertung, „Lästern“, Mobbing oder gar wahnhafte Racheakte.

Wie gehen wir am besten mit „Neidhammeln“ um?

Andererseits sind wir ja auch selbst mit Neidern konfrontiert. Wir neigen impulsiv dazu, diese Menschen von uns wegzuschieben, sie zu bestrafen und zu verstoßen, obwohl wir in einem sozialen Gefüge mit ihnen stecken. Solche harten Maßnahmen betreffen nicht nur den anderen, sondern uns selbst und verursachen einen gewissen Trennungsschmerz auch in uns selbst. Damit befördern auch wir die ungesunde Seite des Neides. Das erste Gebot im Umgang mit Neidern lautet: „Nimm die Konkurrenz nicht an!“ Der Ausstieg aus der selbstverstärkenden Neidgefühle kann nur gelingen, wenn ich dem im eigenen Selbstwert geschwächten Neider mit Wertschätzung begegne und ich ihn dabei unterstütze, wieder einen erweiterten Fokus zu finden. Das heißt konkret: dem Neider die eigenen Stärken bewusst machen, ihn fördern und zur Selbst-Anerkennung verhelfen.

Hier ist es von essentieller Bedeutung, nicht wahllos oder gar heuchlerisch zu loben, sondern den Blick auf das zu wenden, was der andere kann und ist, denn Neid macht blind für das eigene Können und die Kompetenzen. „Wer authentisch wertgeschätzt wird, kann seinen Neid kaum aufrechterhalten.“ (Prof. Leo Montada, Psychologe, Universität Trier)

Neid

Gehört Neid auch in den Berufsalltag?

Neid als Motivationsansporn im Arbeitsumfeld – kann das gut sein? Die Arbeitspsychologin Julia Belting ist der Auffassung, dass Neid produktiv machen kann, wenn Konkurrenz durch die Führungskräfte entsprechend gesteuert wird.

Für eine „gesunde Neidkultur“ sorgt man, indem Informationen für alle verfügbar sind und indem die Kommunikation und die Art der Kritikäußerung beobachtet werden. Wird jemand ausgegrenzt, kann das schnell in Mobbing umschlagen. Der Einsatz unfairer Mittel muss schnell unterbunden werden, weil sonst schnell das gesamte Klima vergiftet wird. Eine gute Verteilung der Aufgaben kann ohnehin dazu beitragen, dass man sich nicht „in die Quere“ kommt.

Förderlich sind positive Leistungsanreize, wie Boni – hier wären auch gemeinsame Belohnungen denkbar, um die Zusammenarbeit sogar noch zu stärken. Wichtig ist, dass die Spielregeln klar und für jeden gleich sind. Jeder gute und echte Wettbewerb zeichnet sich dadurch aus, dass er offen geführt wird. Neid am Arbeitsplatz ist ein heikles Thema, es bedeutet ein aufwändiges Führungsinstrumentarium an Neidregulierungsmaßnahmen und setzt eine optimale Führung voraus. Dies würde bedeuten, dass jeder die gleichen Bedingungen hat. Auf menschlicher Ebene lässt dies aber zwei Komponenten außer Acht: den Faktor Sympathie, die Vorgeschichte und persönliche Disposition der Beteiligten. Das sind nicht kalkulierbare Faktoren. Anstrengungen diese Aktivitäten der Beteiligten entsprechend zu regulieren, könnten den „Nutzen“ des Neides schnell relativieren.

Haben Sie sich auch schon gefragt, warum Neid die größte Anerkennung ist?

Der Philosoph Schopenhauer sagte: „In Deutschland ist die höchste Form der Anerkennung der Neid“ und bereits Wilhelm Busch sah den Neid als die aufrichtigste Form der Anerkennung an. Was macht Neid mit uns und woher kommt dieses Gefühl, das sich durch unser Leben zieht – beruflich und privat. Auch wenn Neid wohl ein natürlicher Teil von uns selbst ist, wie begegnen wir Neidhammeln?

Shakespeare bezeichnete Neid als „ein grünäugiges Monster“. Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen Neid und Missgunst. Letzteres bedeutet, jemandem etwas einfach nicht zu gönnen, während Neid auch eine dynamische Komponente haben kann. Was sagt es über uns aus, wenn wir anderen nichts gönnen, wenn wir extrem neidisch auf andere sind und ständig mit uns selbst unzufrieden? Warum müssen wir uns messen, prahlen, und den anderen vielleicht auch noch schlecht machen, um uns besser zu fühlen?

Neid ist gesellschaftlich gesehen ein Tabuthema – über Neid spricht man nicht!

Kennen Sie jemanden, der zugeben würde neidisch zu sein? „Offiziell“ gibt es Neid nicht, dabei kennen wir das Phänomen Neid sogar aus dem Tierreich in Form von Futterneid. Jeder gibt also vor, über allem darüberzustehen, dabei war sicher fast jeder von uns schon einmal zumindest ein klein wenig neidisch. Das Grundthema des Neidgefühls ist die Frage, wie zufrieden man mit sich selbst ist. Viele unserer emotionalen Defizite führen wir auf Erlerntes und Erlebtes zurück.

Neid hat aber durchaus eine biologisch-genetische Komponente, die sich im Bereich der medizinisch- psychologischen Forschung im Frontalhirn lokalisieren lässt. Die Emotion ist also nicht etwas, was wir gelernt haben, sondern bereits in jedem von uns angelegt. Entsprechend schlechte Erfahrungen können einen solchen Gefühlszustand dann noch verstärken. Auch für das als „Kuschelhormon“ bekannte Oxytocin wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass es auf die Intensität des negativen Gefühls Neid sogar eine verstärkende Wirkung hat.

Hat Neid etwas Gutes?

Zunächst ist vorauszuschicken: Welchen Status wir in unserer Gruppe haben, ist ein wichtiger Faktor für uns. Eine empfundene Ungerechtigkeit oder ein anderweitig wahrgenommenes Gefälle fördert die eigene Unzufriedenheit und bietet die Basis für Neid. Es gibt keine einheitliche Position zu der Frage, ob Neid etwas Gutes oder Schlechtes ist. Während der Schriftsteller und Philosoph Kierkegaard Neid sogar als das Schädigendste und das Ende des Glückes ansieht, vertritt Robert Lembke die Position: „Neid muss man sich erst einmal verdienen“. Jemandem etwas nicht zu gönnen, weil eine Sache, ein Erfolg oder das Ansehen zu einem anderen gehört, richtet ja erst einmal keinen Schaden an sich an, oder? Dazu gilt es aber zu differenzieren, um welchen Neidtypen es sich handelt.

Der Neidforscher Niels Van den Ven unterscheidet zwei Typen von Neid, nämlich eine motivierende und eine deprimierende Neidform. Elmar Brähler, bis 2013 Professor für Medizinische Soziologie und Psychologie an der Uni Leipzig, sowie sein Kollege Neidforscher Rolf Haubel differenzieren sogar vier Arten des Neides: Die Form von Neid, die durch Bewunderung ausgelöst wird und stimulierend wirkt. Dann den schädigenden Neid, bei dem man anderen nichts gönnen kann, was man selber nicht zu erreichen vermag. Frauen sind besonders betroffen von der depressiven Auslebung des Neides, die oft in einer Handlungs- und Erfolgsunfähigkeit mündet. Und zuletzt gibt es noch die Art von Neid der Menschen, die sich zu Unrecht benachteiligt und schlecht behandelt fühlen. Manche Neidforscher, wie Prof. Eva Bänninger-Huber (Universität Innsbruck), und Christine Widmer sehen im „Narzisstischen Neid“ eine fünfte Variante. Von Bedeutung ist vor allem, wie wir mit Neid umgehen – denn nicht zuletzt leidet der Neider vor allem selbst unter seiner oft subjektiv empfundenen für ihn benachteiligenden Situation.

Gibt es Neid in ungesunden Maßen?

Als „ungesund“ ist Neid zu bezeichnen, wenn Boshaftigkeit dazu kommt und Begleiterscheinungen des Neides Taten sind, die dazu dienen sollen, die beneidete Person schlecht zu machen, sie herabzustufen oder ihr zu schaden. Die Ansicht von Aristoteles, dass Neid uns positiv vorantreibt, kann also auch eine negative Seite dieser „Medaille“ aufweisen, wenn wir sie auf diese Weise zu ergattern suchen. Stark ausgeprägter Neid ist nicht selten eng gekoppelt mit einem geringen Selbstwertgefühl.

Im Christentum gilt Neid neben Stolz, Geiz, Wollust, Völlerei, Zorn, Trägheit als Todsünde. Neid beinhaltet schon eine autoaggressive Komponente, da unser Selbstwertgefühl empfindlich gestört ist. In dem empfundenen Mangel, spüren wir den Bereich, den wir in uns selbst nicht zufrieden stellen können. Der Neider vergisst dabei, dass sich ihm nur ein Ausschnitt eines Gesamtkontextes bietet, der sich mit seiner Situation gar nicht vergleichen lässt. Er blendet die Historie sowie die relevanten Faktoren aus und spiegelt sich an der Wahrnehmung eines Ist-Zustandes, ohne Berücksichtigung der „Genese“. Deshalb vergleicht der Neider im Grunde genommen immer Äpfel mit Birnen.

Was gönnen wir anderen am wenigsten?

Obwohl wir in einem Wohlstandsland leben – oder vielleicht gerade deshalb – sind wir Deutschen hauptsächlich auf materielle Dinge neidisch, wie Umfragen zeigen. Die meisten von uns hätten gerne das, was andere haben. Etwa 40 Prozent gaben bei einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens OmniQuest an, neidisch auf Freunde oder Nachbarn zu sein. „Die schlimmsten Neidhammel kommen aus dem Süden: In Bayern liegt die Quote bei 48 Prozent und in Baden-Württemberg bei 42,6 Prozent; in den neuen Bundesländern hingegen bei lediglich 27,1 Prozent.“ Dabei sind die Männer das zufriedenere Geschlecht. Einfach sorglos Geld ausgeben, das wünschen sich viele. Bilder vom tollen Urlaub anderer lassen gerade zu Zeiten von Facebook und Co. auch bei vielen Neidgefühle aufkommen und immerhin 21 Prozent der von RTL Befragten geben an, wegen des Autos neidisch zu sein. Dabei sind es gar nicht unbedingt die Besitzloseren, die neidisch sind. Die erstaunliche Tendenz: „je reicher, desto neidischer“. Dies spricht wieder für die These, dass Neid anspornt, selbst etwas zu erreichen. Es geht hierbei aber nicht nur um materielle Dinge: Ein glückliches Privatleben und ein intaktes soziales Umfeld machen immerhin ein Fünftel der Menschen neidisch.

Quellen:
www.alltagsforschung.de/voller-missgunst-warum-sind-wir-neidisch/
www.zeit.de/karriere/beruf/2012-02/interview-konkurrenz-belting
www.shortnews.de/id/1017338/neid-aeussert-sich-auf-verschiedene-arten
www.wiwo.de/erfolg/trends/schoenheit-karriere-urlaub-worauf-die-deutschen-neidisch-sind/12291624.html
www.neon.de/artikel/fuehlen/psychologie/neidisch-wieso/1125274
www.rtlnext.rtl.de/cms/neid-umfrage-darauf-sind-die-deutschen-am-meisten-neidisch-2513548.html?poweredby=rtlaktuell
www.zeit.de/karriere/beruf/2012-02/interview-konkurrenz-belting
www.lebenshilfe-abc.de/neid.html
www.focus.de/wissen/mensch/psychologie/tid-30199/todsuende-mit-positiven-wirkungen-neid-die-zwei-seiten-eines-negativen-gefuehls-frauen-und-maenner-beneiden-anders_aid_944420.html

Dr. Silvia Franjic
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